Am 21. März 2013 feierte Prof. Albert Kiefer seinen 95.
Geburtstag – und zwar genau so, wie er es
bereits vor drei Jahren angekündigt hatte, mit einer Ausstellung seiner neuen
Werkphase – den Erinnerungskästen! (siehe dazu mein Bericht von 2008 unten in
diesem Newsletter). Auf seine Einladung hin habe ich ihn zusammen mit meinem
Mann Dieter Hoffmeister (von ihm sind die Fotos!) an einem Sonntag im April in
Rastatt besucht – zuerst in seiner Ausstellung in der Städtischen Galerie
Fruchthalle und dann in seinem Wohnhaus im Ortsteil Niederbühl.
Albert Kiefer und Adelheid Sievert vor neuen Bildern von Anselm Kiefer in
der Städtischen Galerie Fruchthalle, Rastatt
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Die zur Städtischen Galerie umgebaute ehemalige Mehl- und
Fruchthalle der Festung Rastatt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts präsentiert
als ein Hauptwerk ihrer Sammlung mit dem Schwerpunkt „Kunst in Baden“ eine
spezielle Version der Monumentalcollage „Wege der Weltweisheit: Die
Hermannschlacht“ von Anselm Kiefer. Vor diesem Werk - Rücken an Rücken mit zwei
neuen Arbeiten des berühmten Sohnes – sind die kleinteiligen Erinnerungskästen
von Albert Kiefer auf einer großen Zwischenwand dicht gedrängt ebenfalls zu
einer „Monumentalcollage“ ganz eigener Prägung zusammengestellt. Nach seiner
eigenen Aussage hat Albert Kiefer diese für ihn ganz neue Arbeitsweise in
Auseinandersetzung mit dem Werk seines Sohnes erst mit über neunzig Jahren
begonnen.
Gemeinsam betrachten wir die gesamte Ausstellung, geführt
von Albert Kiefer, der immer wieder auch von anderen Rastatter Besuchern
freundlich gegrüßt wird, oft mit dem Vornamen. Man spürt, Albert Kiefer ist
hier zu Hause und in Rastatt eine Institution, man kennt sich seit langem, denn
eigentlich hat er ja sein ganzes Leben hier verbracht. Aus dem Elternhaus, das
sein Vater in den zwanziger Jahren in dem kleinen Vorort Niederbühl gebaut
hatte, ist er nie ausgezogen, auch während seiner Jahre im Frankfurter Institut
nicht.
In dieses Haus hat er uns eingeladen, das er nun schon seit vielen Jahren allein bewohnt, nachdem die Eltern gestorben, alle drei Kinder aus dem Haus sind und seine Frau bis zu ihrem Tod im vorletzten Jahr in einem Pflegeheim
lebte, wo er sie täglich besucht hat. Von
außen ist es ein ganz normales Eckhaus mit einem kleinen Garten, in dem sich
allerdings noch die ehemalige Schreinerwerkstatt des Vaters verbirgt. Aber schon
im Flur und Treppenhaus betritt man eine andere Welt, die man nicht mehr mit
dem gutbürgerlichen Einfamilienhaus, sondern mit den Kunst- und Wunderkammern
der Renaissance assoziiert, denn mit Ausnahme von Küche und Bad sind wirklich alle Räume vom Fußboden bis zur Decke von der Kunst
erfüllt, auch wenn die schönen alten Möbel und Teppiche dazwischen durchaus
noch ihren Platz haben.
Die Bilderwand in der Galerie war also nur ein kleiner
Vorgeschmack, eine kleine Auswahl von dem Werk, das wie ein Archiv verschiedene
Phasen und Schichten eines sehr langen und produktiven Künstlerlebens
präsentiert. Denn hier sind neben den Erinnerungskästen auch zahlreiche Bilder
versammelt, wie sie Albert Kiefer noch zur Ausstellung zu seinem 90. Geburtstag
2008 im Stadtmuseum Rastatt gezeigt hatte – naturalistisch gemalte Landschaften,
Bäume und Blumen, Ansichten seiner Heimatstadt und der Umgebung.
Blick durch den Flur |
Im Wohnzimmer |
Im 2. Stockwerk befinden sich die früheren Schlafzimmer und Kinderzimmer, noch mit
den vom Vater selbst getischlerten Möbeln. Obwohl auch hier alle Wände dicht
gefüllt sind, haben diese kleineren Räume eher einen Atelier- und Werkstattcharakter, denn hier wird ganz
offensichtlich täglich gearbeitet.
Albert Kiefer in seinem Malatelier |
Der Maltisch |
In einem etwas größeren Raum stapeln sich Materialien für
neue Objektkästen, häufig Naturmaterial wie Äste, Blätter und Rinden, und
bereits fertig gestellte, neue Werke. Ein kleines „Blumenstück“ aus
getrockneten Pflanzenteilen, Blättern, Fruchtschalen und Samen hat Albert
Kiefer schon am Morgen vor unserem Treffen im Museum extra für mich gemacht.
Wir betrachten zusammen die unzähligen Bilder an den Wänden –
jedes Bild hat hier eine Geschichte aus dem langen Leben von Alfred Kiefer. Ehe
wir gehen, sollen wir uns noch unbedingt einige Werke zum Mitnehmen aussuchen –
angesichts der Fülle keine leichte Aufgabe. Mein Mann wählt eine kleine „Weiße
Rose“ aus, ich ein Kästchen mit Naturmaterialien, das typisch ist für viele
seiner Werke. Ich bin sehr beeindruckt von der Präsenz und Vielseitigkeit
meines „alten“ Kollegen Albert Kiefer, den ich hier in seinem heimatlichen und
künstlerischen Umfeld noch einmal ganz neu erfahren habe. Ob ich mir für mich
auch die nächsten 25 Jahre so vorstellen könnte?
Adelheid Sievert
Adelheid Sievert
Albert Kiefer 2013 o.T., 19 x 19 cm |
Albert Kiefer 2012 "Weiße Rose", 14x14 cm |
PS: Von einem ähnlichen Besuch anlässlich des 95. Geburtstags bei Albert Kiefer findet sich übrigens ein sehr lesenswerter ausführlicher Bericht von Eric Schütt im Feuilleton der Frankfurter Rundschau in der Ausgabe vom 20. März 2013, S.30-31.