Das pandemiebedingte Regelwerk empfängt einen auch am Eingang des Instituts für Kunstpädagogik, inklusive der Androhung des Hausverbots. Foto: Georg Peez |
Liebe Ehemalige und Studierende des Instituts für Kunstpädagogik!
Das verwaiste Institut für Kunstpädagogik im September 2021. Foto: Georg Peez |
Zum Start des Wintersemesters 2021/22 gebe ich gerne ein paar Einblicke in das Institut für Kunstpädagogik. Bereits am Ende des Sommersemesters 2021 fand eine behutsame Öffnung des Instituts statt, und zwar in der Weise, dass das Institutsgebäude seitdem wieder zu festen Zeiten an Wochentagen geöffnet ist und die Studierenden ein- und ausgehen können und beispielsweise auch wieder in den Ateliers arbeiten können. Sowohl für die Ateliers wie auch für die Werkstätten wurden sogenannte Hygienekonzepte erstellt und genehmigt, deshalb konnten auch Lehrveranstaltungen in kleinen Gruppen in den Werkstätten stattfinden. Die Öffnungszeiten der Institutsbibliothek waren wieder länger, alle Maßnahmen und Lockerungen richteten sich selbstverständlich nach der Höhe der Inzidenzen und darauf abgestimmt den Maßnahmen, die die Vorgaben der Landesregierung regeln. Bis zum Ende des Sommersemesters herrschte entsprechende Abstandspflicht von 1,5 Metern sowie die Pflicht, einen angemessenen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Für die Lehrveranstaltungen der Fachwissenschaft oder Fachdidaktik, an denen über 30 bis zu 100 Studierende jeweils teilnehmen, bedeutete dies, dass diese selbstverständlich nicht in analoger Präsenz vor Ort im Institut stattfinden konnten. Die Dozierenden und Lehrenden wenden verschiedene Formen der Online-Lehre an: teils zeitlich synchron, teils asynchron. Möglichst neutral formuliert habe ich den Eindruck, dass sich alle Beteiligten hierauf inzwischen eingestellt haben. Und ich denke für Studierende besteht inzwischen die Situation, dass sie über die Woche hinweg eine recht breite Palette an ganz unterschiedlichen Methoden und Persönlichkeiten der Lehrenden erfahren. Anfängliche Schwierigkeiten aus dem Sommersemester 2020 sowohl in methodischer wie auch in technischer Hinsicht wurden in aller Regel überwunden.
Im Institut für Kunstpädagogik helfen Markierungen am Boden vor der Institutsbibliothek im 2. Stockwerk, die notwendigen Abstandsregeln einzuhalten. Foto: Georg Peez |
Da die Maßgaben für das Wintersemester 2021/22 verständlicherweise lange unklar waren, blieb den meisten Lehrenden für das beginnende Wintersemester zunächst nichts anderes übrig, als so weiterzumachen wie bisher. Denn niemand wusste, wie sich die Pandemielage in den Wintermonaten entwickeln wird. Manche hofften darauf, dass dann Seminare, die online begannen, in Präsenz weitergeführt werden können. Allerdings birgt dies gewisse Herausforderungen, weil beispielsweise die Maskenpflicht dennoch bestehen wird. Außerdem wohnen viele Studierende gar nicht mehr in Frankfurt, weil sie sich das Zimmer bzw. die Wohnung nicht mehr leisten können, unter anderem weil Nebenjobs weggebrochen sind. Diese Personen könnten also nicht spontan an Präsenzlehre teilnehmen. Das könnte höchstens bedeuten, dass man als Lehrender ein doppeltes Angebot bereithält, was ein deutlicher Mehraufwand wäre. An der Eingangstür des Instituts befindet sich - so wie in früheren Jahrzehnten - wieder ein Pförtner, der die derzeitigen 3G-Regeln sicherstellt und darauf achtet, dass alle einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz tragen. Zumindest müssen die Lehrenden diese Überprüfung nicht vor jeder ihrer Präsenz-Lehrveranstaltungen an der Eingangstür selber leisten. Diese Regeln gelten übrigens für alle Gebäude der Goethe-Universität, auch auf dem Campus Westend. Der Umzug unseres Instituts zum Campus Westend wird voraussichtlich nach dem Sommersemester 2022 erfolgen. Einige Fotos vom Gebäude aus dem September zeigen den Baufortschritt. Den Charme unseres alten Backsteingebäudes, der Fabrik, hat der Neubau natürlich nicht. Von innen können wir ihm dann hoffentlich unsere eigene Note geben, zumal das Institut für Kunstpädagogik angemessen mit Räumen, Ateliers und Werkstätten ausgestattet wurde. Mit dem Umzug wird übrigens voraussichtlich auch eine Namensänderung unseres Instituts in Kraft treten, und zwar in "Institut für Kunst - Medien - Kulturelle Bildung". So hat es das Direktorium beschlossen. Der Begriff "Kunstpädagogik" taucht in keinem der Namen der Studiengänge mehr auf, früher war er ja sehr prominent im Magister-Abschluss. Das Schulfach selbst heißt in Hessen "Kunst", der Bachelor- und der Masterstudiengang heißen "Kunst - Medien - Kulturelle Bildung", weshalb das Institut voraussichtlich umbenannt wird.
Noch ist es nicht ganz so weit mit diesem neuen Institut und bis dahin versuchen wir weiterhin alle Mitglieder und Interessenten der Alumni-Initiative Kunstpädagogik über das aktuelle Geschehen und absehbare Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten! Mit kurzen Zwischeninformationen und vor allem über unsere Nachrichten in Facebook haben wir auch im vergangenen Jahr versucht, den Kontakt zu halten. Doch da wir damit nicht alle erreichen, hier ein Rückblick auf Ereignisse und Perspektiven seit dem Versenden des letzten Alumni-Berichtes Mitte September 2020. Zu feiern gab es zuerst Ende Oktober den 60. Geburtstag von Georg Peez, den wir unter strikter Beachtung der Corona-Regeln leider ausschließlich digital begehen konnten: Petra Saltuari hatte Gratulanten von nah und fern ermuntert, sich mit einem kleinen Video selbst ins Bild zu setzen und die Glückwünsche, Erinnerungen und virtuellen Präsente dann zu einem Defilee dieser Gäste zusammen geschnitten und ihm fristgerecht zugesandt! Als ich mich hier in meinem Wohnzimmer selbst auf diese Premiere vorbereitet habe, die dann freundlicherweise mein Ehemann aufgenommen hat, habe ich dabei noch das 10jährige Jubiläum der Professur entdeckt: Mit Beginn des Wintersemesters 2010/2011 war Georg Peez dem Ruf von Essen zurück nach Frankfurt auf die Professur gefolgt, die seit meiner Emeritierung nach dem Wintersemester 2008/2009 vakant gewesen war – wir hatten darüber auch damals schon für die Alumni-Initiative berichtet – wer möchte, findet dies unter „frühere Seiten“ weiterhin in unserem Blog der Alumni- Initiative – das Internet vergisst nichts!
Ein Zitat dazu aus aktuellem Anlass vom 4. Alumni-Treffen 2011:
Georg Peez, der zum 01.09.2010 als Professor für Kunstpädagogik und Kunstdidaktik an das Institut berufen wurde, berichtete über den immer wieder spannenden Stand der Neuplanungen zum Umzug unseres Instituts an den neuen Campus Westend. War im letzten Jahr noch von 2014 die Rede und wurde Georg Peez im Rahmen seiner Berufung gar 2012 als Jahr des Auszugs genannt, sind seit neustem die Jahre 2018/2020 im Gespräch: Es wurde wohl von Seiten der Verwaltung erkannt, dass sich unser Institut angesichts der Werkstätten mit schweren Maschinen und Druckpressen nicht für Interims- Lösungen eignet. Aber der von Stadt und Land geplante so genannte „Kulturcampus“ wird kommen. Quelle
Julia Jennifer Matlok Foto: Julia Jennifer Matlok |
Gießen, den 1. Juli 2021 Sehr geehrter lieber Herr Spemann, zu Ihrem 90. Geburtstag sende ich Ihnen auch im Namen vieler Ehemaliger – Studierende, MitarbeiterInnen und Kollegen – herzliche Glückwünsche! Wie schön, dass wir uns an diesem Ehrentag an Ihre wunderbare Einladung 2013 in Atelier und Garten zur Schönen Aussicht erinnern können – Dank Ihnen und Ihrer ganzen Familie! Sonnige Grüße aus Gießen – Ihre „alte“ Kollegin Adelheid Sievert p.s. Passend zu Ihrem Geburtstag haben wir hier an diesem Wochenende in Gießen zum zweiten mal in Corona-Zeiten eine Gruppe von Keramikern eingeladen – letzten September war dies für alle der erste und einzige Verkaufsmarkt 2020! Auch einige Alumni aus Frankfurt und Umgebung kamen her!
Sarah Dietl und ihre Freundin Anika Rosenberg besuchten die Keramikschau im Juli. Nicht nur die Kunst hatte es ihnen angetan, sondern sie konnten auch meine stacheligen Agaven gut gebrauchen und haben sie gleich eingeladen.
Ausschnitt aus der Gießener Allgemeinen vom 5. 7. 2021 Bericht von Dagmar Klein |
Dr. Ellen Spickernagel Foto: privat |
Dieser letzte Absatz fehlt in der Zeitung, aber im Telefongespräch hat mir Ellen Spickernagel versichert, dass gerade die Forschungen zum Mensch-Tier-Verhältnis ihr besonders wichtig sind. Ihre Hoffnung, dass die für sie besonders schmerzlichen Einschränkungen des kulturellen Lebens in Frankfurt im Verlauf dieses Jahres aufgehoben werden, haben sich leider erst nach und nach langsam erfüllt.Dr. Ellen Spickernagel, emeritierte Professorin für Kunstgeschichte am Institut für Kunstpädagogik der Universität Gießen, feierte ihren 80. Geburtstag Anfang dieses Jahres in Frankfurt a.M.. Nach langjähriger Tätigkeit als Kustodin am Städelschen Kunstinstitut und als Akademische Rätin am Oberstufenkolleg der Universität Bielefeld lehrte sie bis 2006 in Gießen. In diesen unterschiedlichen Berufsfeldern engagierte sich Ellen Spickernagel von Anfang an als kritische Wissenschaftlerin interdisziplinär und praxisorientiert: 1976 publizierte sie als Mitherausgeberin „Das Museum – Lernort contra Musentempel“ eine Streitschrift zur Funktion von Museen und Ausstellungen und zum Lernen im Museum, deren Titel in der Kunstpädagogik bis heute unvergessen ist. In der kunstgeschichtlichen Frauenforschung „zur Korrektur des herrschenden Blicks“ aktiv, brachte sie diese Expertise auch in „Das Frauenforum im BDK“ ein, das ab 1990 mehrere Tagungen zur „FrauenKunstPädagogik“ durchführte. Mit ihren Studien zu Frauenbildern im historischen Prozess, zu den Bedingungen und Bereichen weiblicher Kreativität und zur Kunst von Frauen hat sie das Selbstverständnis des Faches beispielhaft bereichert. Seit vielen Jahren hat Ellen Spickernagel zudem eine besondere Leerstelle der Kunstgeschichte in den Blick genommen mit Untersuchungen zum Mensch-Tier-Verhältnis in historischen Tierdarstellungen bis in die Gegenwartskunst: Human Animal Studies – Tiere als Mitbürger?
Gunda Klöne Foto: privat |
Andreas Helm im WS 1984/85 bei gegenseitigen Schminkversuchen mit Fingerfarben im fachdidaktischen Seminar "Mit allen Sinnen lernen" Foto: Adelheid Sievert (damals noch Staudte) |
Ein Foto von Andreas, vom 14.11.2006, bei der Ernennung zum Schulkünstler der Heinrich-Kraft-Schule, in der Galerie am Fachfeld, Frankfurt Fechenheim. Foto: Joachim Mennicken |
Ausstellen im Lockdown. Impressionen aus der Ausstellung Blattwerk(e) in der Galerie Unterer Hardthof Anfang April 2021 Fotos: Aline von der Assen |
Ausstellen im Lockdown. Impressionen aus der Ausstellung Blattwerk(e) in der Galerie Unterer Hardthof Anfang April 2021 Fotos: Aline von der Assen |
Sonja Wengoborski: Einführung: Der Bildhauer Andreas Helm und seine Werke, 2021
Julia Matlok: Schule und Museum. Ein Kooperationsprojekt mit Studierenden lernen und lehren, BDK-Mitteilungen 3.2020
Julia Matlok
Schule und Museum. Ein Kooperationsprojekt
Mit Studierenden lernen und lehren
Wie die Zusammenarbeit von Studierenden und Schülerinnen und Schülern aussehen und welche Mehrwerte sie für beide Seiten bereithalten kann, davon soll am Beispiel der Kooperation der Gustav-Heinemann-Schu- le Rüsselsheim am Main und des Instituts für Kunstpädagogik der Goethe-Universität Frankfurt am Main berichtet werden.
Akteurinnen, Akteure und Setting
„Kunst mit KLASSE!“ ist eine seit vier Jah- ren statt!ndende Kooperation, in welcher die Schülerinnen und Schüler des Rüssels- heimer Oberstufengymnasiums während eines Schuljahres intensiv mit dem frauen museum wiesbaden (s. Kasten) projektorien- tiert zusammenarbeiten. Leistungskurse des Faches Kunst wie auch Grundkurse der Ein- führungsphase, die in Kunst und Geschich- te von einer Lehrkraft unterrichtet werden, agieren für mindestens ein Schuljahr fä- cherübergreifend in Themenfeldern beider Fächer. Lernen die Schülerinnen und Schüler das frauen museum wiesbaden bei ihrem ersten Kooperationstre"en als Besuchende kennen, so erhalten sie im weiteren Verlauf während der etwa einmal im Monat statt- !ndenden Tre"en immer mehr Einblicke in die aktuellen Ausstellungsthemen, die Ab- läufe des Museums und können bildnerisch- praktisch im Museum arbeiten. Weitere Ausstellungsorte des Rhein-Main-Gebietes werden zusammen mit der Direktorin des frauen museum wiesbaden, Beatrixe Klein, und der Tutorin, Julia Matlok, erschlossen. Auch die Eindrücke dieser Exkursionen wer- den gemeinsam rezipiert und gestalterisch verarbeitet. Aufgrund der zahlreichen Ex- kursionen und intensiven Praxisphasen hat das Oberstufengymnasium besonders im Fach Kunst einen ganztägigen Leistungskurs etabliert. Der reguläre Unterricht sowie die Projekttage sind daher von einer Werkstatt- atmosphäre geprägt. Am Ende eines Jahres- zyklus steht dann die eigene Ausstellung in den Museumsräumen, die mit einer Vernis- sage mit Vortrags- und Musikprogramm er- ö"net wird. Meist zeigen sechs bis sieben Werkgruppen unterschiedliche Themen – oft, aber nicht zwingend mit Genderbezü- gen. Vielfältige Techniken scha"en erst für die Lernenden, dann für die Ausstellungsbe- suchenden Kontraste, wobei letztere gerne auch Werke erstehen. Das Konzept des Pro- jekts ist es, die folgenden Schritte zu erleben
und hierfür mitverantwortlich zu sein: das Gestalten und Versenden einer Einladung, das Rahmen und Hängen, das Vorstellen der eigenen Werke vor einem fremden Pu- blikum, der Abbau und der Verkauf einiger Werke.
Bezüge zur Universität
Der Lehrveranstaltungstyp „Fachdidaktische Übung mit Lehrversuchen“ ist Bestandteil des Kunstpädagogikstudiums an der Goe- the-Universität. Während eines Semesters wird, häu!g auch in Blockveranstaltungen, ein lokales Museum besucht. Anhand eines ausgewählten Schwer- punktes oder auf Grundlage einer Sonderausstellung wird von den Studierenden zunächst eine Ausstellung erschlossen. Im Folgenden werden eines oder mehrere Vermittlungskonzepte erstellt, welche dann in die Praxis umgesetzt werden können. Angeleitet werden die Studierenden dabei von den Museumspädagoginnen und Museums- pädagogen der jeweiligen Museen. Dies bedeutet zumeist, dass die Studierenden eine museumspädagogische Einheit für Schulklassen allein oder in Kleingruppen anleiten. Wesentlich hierbei ist vor allem die didaktische Au ereitung musealer Felder sowie eine gelingende Umsetzung und die Re"exion des eigenen Tuns. Studierende können und sollen Bestärkung in der Umsetzung ihrer Ideen erfahren, eigene Planungen kritisch hinterfragen, Erfahrungen als Lehrpersönlichkeit machen und sich darüber austauschen können. Nicht zuletzt soll die Übung sowohl Lehramts- als auch Master- oder Bachelorstudie- renden die Möglichkeit bieten, sich beru"ich zu orientieren und zu prüfen, in welchem Bereich sie sich am ehesten beru"ich engagieren möchten. Das Feld der Museumspädagogik stand hierbei aufgrund der bereits geschilderten Konstitution der Übung im Vordergrund. Das Setting, in welchem Schul- und Hochschulveranstaltungen ver- bunden wurden, sah vor, dass die Studierenden, die sich für die „Fach- didaktische Übung mit Lehrversuchen“ eingeschrieben hatten, ent- weder während des Wintersemesters 2017/2018 oder 2018/2019 in das Projekt „Kunst mit KLASSE!“ eingebunden werden sollten. Im Rahmen dieser drei Monate konnten die angehenden Kunstpäda- goginnen und -pädagogen Orte, Akteurinnen, Akteure und Projekt kennenlernen sowie selbst eine kunstpädagogische Sequenz planen, umsetzen und in der Rückschau betrachten. Um die Projektbeschrei- bung zu vereinfachen, wird im Folgenden der Projektverlauf von 2018/2019 skizziert; Eingang in das Resümee #nden jedoch die Er- fahrungen beider Projektgruppen.
Projektrahmen
Gespannt von den Lernenden und dem Museumsteam erwartet, konnten die Studierenden zunächst in je einer Blockveranstaltung das frauen museum wiesbaden sowie die Gustav-Heinemann-Schule kennenlernen. Während Beatrixe Klein durch die vier Ausstellungs- etagen des Museums führte und zum spontanen Zeichnen und
Fotogra#eren im Haus einlud, wartete der Leistungskurs Kunst der Q3-Phase mit bildnerischen Werken auf die Studierenden. Auf der Grundlage der einstigen Bewerbungsmappen für das Studium brach- ten auch die Studierenden eigene Arbeiten in die Schule mit. Erstaun- lich war es, dass der Leistungskurs mit seinen Mappen im A1-Format und zahlreichen Werken aus dem bereits durchlaufenen Projekt aus dem Schuljahr der Q1- und Q2-Phase seine Werke sehr ausdauernd vorstellte. Dies mag auch der Tatsache geschuldet gewesen sein, dass die eigenen Werkgruppen während der schon vergangenen Vernis- sage anhand von Kurzvorträgen vorgestellt worden waren. Aufgrund der kongruenten Gruppengröße konnten jeweils Dialoge zwischen Studierenden und Schülerinnen und Schülern statt#nden. Nach einer Weile setzte ein rotierendes Kennenlernen ein. Aus der Lehrerinnen- perspektive betrachtet, aber auch für die Leitung des Museums wur- de schon zu diesem frühen Zeitpunkt des Projekts deutlich, wie sehr der Leistungskurs von dem Projekt „Kunst mit KLASSE!“ pro#tiert hat- te. Nicht nur waren die Schülerinnen und Schüler besonders bei den Studierenden darum bemüht, kompetent und selbstsicher aufzutre- ten, um den ihnen teilweise nur wenige Jahre „Vorausgeeilten“ auf Augenhöhe zu begegnen, sie waren durch das Projekt zum Austausch mit Studierenden des Faches auch gut befähigt. Die Studierenden konnten auf der Grundlage dieser ersten Begegnung selbstverständ- lich keine Lerngruppenanalyse anfertigen, mit dem Kurs jedoch auf Tuchfühlung gehen, einen Einblick in die bisherige bildnerische Ar- beit gewinnen, die Möglichkeiten für das Fach Kunst an der Gustav- Heinemann-Schule und den Typus des Oberstufengymnasiums mit seinen spezi#schen Charakteristika kennenlernen.
Ein intensiveres Eintauchen in den Ausstellungs- und Aktionsort, der für das Schulprojekt, aber auch für die Lehrversuche zentral war, wur- de den Studierenden während einer Blockveranstaltung am Wochen- ende ermöglicht. Hierfür standen zunächst unterschiedlichste Mate- rialien wie Ton, Holz, Linolium, Kohle, Kreide, Acryl- und Aquarellfarbe sowie unterschiedlichste Papiere bereit. Die Studierenden konnten sich mit Materialien ihrer Wahl zunächst ungerichtet in die Ausstel- lungsfelder begeben und bildnerisch arbeiten. Auf diese Weise konn- ten erste Neigungen und Interessen entdeckt werden, zudem erhielt
frauen museum wiesbaden
Die Lebenswelten von Frauen in Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft stehen im Zentrum der Arbeit des kulturhistorisch ausgerichteten frauen museum wiesbaden. Das preisgekrönte, interdisziplinär arbeitende frauen museum wiesbaden ist seit seiner Gründung 1984 in privater Trägerschaft des gemeinnützi- gen Vereins Frauenwerkstatt Wiesbaden e.V. und wird durch das Kulturamt der Landeshauptstadt Wiesbaden #nanziell gefördert. Das Museum entwickelt und präsentiert auf einer Fläche von 600 qm wechselnde Ausstellungen zu unterschiedlichen The- men. Zeitgenössische Kunstausstellungen vermitteln Einblicke in die Scha$enswelt von Künstlerinnen, Frauen#guren aus aller Welt und allen Zeiten zeigen ein umfassendes Geschichts- und Kulturverständnis und in themenspezi#schen Ausstellungen werden inspirierende weibliche Persönlichkeiten präsentiert. Das vielseitige Veranstaltungsprogramm reicht von Tagungen, Seminaren, Podiumsdiskussionen, Lesungen, Vorträgen und Stadtrundgängen bis zu Filmprojekten und Tanzdarbietungen. Die Arbeit des frauen museums wiesbaden wurde 1997 aus- gezeichnet mit dem Kulturpreis der Stadt Wiesbaden und 2020 als Museum des Monats durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst. www.frauenmuseum-wiesbaden.de/de/geschichte
der a!ektive produktive Zugang den Vorrang. Es folgte eine Sammlung der unterschiedli- chen kreativen Werkzugänge und Themen. Anhand der entstandenen Themen fand am folgenden Tag wahlweise allein oder in Part- nerinnen- bzw. Partnerarbeit die Recherche statt. Die Museumsbibliothek bot hierfür eine umfangreiche, auf den Schwerpunkt des Museums bezogene Grundlage. Wei- tere Literatur wurde von den Studierenden mitgebracht. Durch die Möglichkeit, immer wieder in die Ausstellungsetagen des Mu- seums gehen, Objekte, Bild- und Tondoku- mente unmittelbar konsultieren zu können, aber auch durch den Austausch konkreti- sierten sich Schwerpunktthemen, die später die Grundlage der Lehrversuche bildeten. Didaktische Orientierung boten, neben der Fachliteratur, bisherige Einheiten des Pro- jekts „Kunst mit KLASSE!“ Innerhalb von drei Jahren Projektarbeit war ein Material- fundus entstanden, der sowohl Reihen- als auch Stundenplanungen und Arbeitsblätter umfasst. Die nun folgenden 90-minütigen Einheiten in den Institutsräumen der Uni- versität standen zur Diskussion der Ent- würfe sowie zur individuellen Beratung zur Verfügung. Ab dieser Phase der fachdidak- tischen Veranstaltungen hatten die Studie- renden, die lediglich einen Teilnahmeschein erwerben wollten, die Möglichkeit, ihr Kon- zept abzugeben. Studierende, die den Leis- tungsschein anstrebten, bereiteten sich auf die Umsetzung ihrer Konzeption vor und gingen in die praktische Planung der Lehr- versuche.
Lehrversuche in der Praxis
Durch das überwiegend große Engagement
der Studierenden kamen fünf verschiede-
ne Lehrversuche, die jeweils 90 Minuten
umfassten, zustande. Da die Bezeichnung
„Lehrversuch“ den Schülerinnen und Schü-
lern wenig geläu"g ist und der Terminus des
Versuchs bei den Teilnehmenden befremdlich wirken kann, wurden diese für den Kurs als Workshops vorgestellt. Schnell wurde klar, dass das Programm für einen Leistungskurs zu umfangreich sein würde. Daher wurde der zweite Kunst-Leistungskurs der Schule ein- geladen und ein Workshop auf den Tag der o!enen Tür in der Gus- tav-Heinemann-Schule ausgelagert. Aufgrund der verschiedenen Ausstellungsetagen war es problemlos möglich, zwei Gruppen am Vormittag parallel in der Dauer- und Sonderausstellung arbeiten zu lassen. Nach einer gemeinsamen Mittagspause fand ein Wechsel der Workshops statt und zum Ende ein gemeinsamer Abschluss mit Prä- sentation der entstandenen Werke. Dieses aufgelockerte Programm hat sich in der Praxis bewährt, da nicht nur die Teilnahme an den Workshops, sondern auch der Austausch zwischen und während der Einheiten wesentlicher Bestandteil außerschulischen Lernens und Lehrens sein sollte. Im Folgenden soll dieser Workshop-Tag umrissen werden.
Aus dem im Winter 2018/2019 aktuellen Angebot wählten drei der fünf Studierendengruppen die Sonderausstellung „Glamour, Avant- garde und Latzhose“. Zwei weitere Studierende beschäftigten sich mit der Dauerausstellung „Von Göttinnen und Weisheiten“ und ent- wickelten jeweils ein eigenes Vermittlungskonzept.
Lieblingsgegenstände
Der Vormittag des Workshop-Tages begann in der Dauerausstellung mit handlichen Lieblingsgegenständen (ausgenommen Smart- phones und digitale Mobilgeräte), die alle am Workshop Teilnehmen- den mitbrachten. Die Vorstellungsrunde anhand der persönlichen Gegenstände ermöglichte ein lockeres Kennenlernen und weckte zu- gleich das Bewusstsein für die Symbolkraft von Gegenständen und somit auch für die der Exponate der Ausstellungsebene. Schwer- punktmäßig wurde aus dieser die Plattform, die sich mit Altameri- ka beschäftigt, herausgegri!en. Vor dem Hintergrund persönlicher Bezüge durch die Familiengeschichte sowie besonderes persönliches Interesse und fundiertes Wissen konnte der anleitende Student in der Übung vielfältige Aspekte der Artefakte, die von Amuletten über Gefäße bis hin zu Figurinen reichten, behandeln. Ein großes Anliegen war es hierbei, die eurozentristische Perspektive auf die Exponate, die ohne Hintergrundtexte gezeigt werden, zu überwinden. Zudem galt es vielfältig, Relevanz oder Kontinuität zwischen prähistorischen Figuren und Gegenständen der Lernenden und somit der heu- tigen Lebenswelt zu "nden. Eine moderierte Diskussion zu diesem Themenfeld leitete zur Praxisarbeit mit Ton über (Abb. 1). Auch im plastischen Arbeiten sollten Deutungsan- sätze von Götterskulpturen nachempfunden und haptisch erahnt werden. Kopien, Zitate und Neuinterpretationen zu den Exponaten entstanden in Ton (Abb. 2).
Tonfigur
Ebenfalls mit der Dauerausstellung be- schäftigte sich der Workshop mit der Frage: „(Inwiefern) ist die Unsichtbarkeit der Vulva historisch bedingt? War das schon immer so?“ Dieser brisante und den Inhalt vor- wegnehmende Titel war den Jugendlichen vorab nicht bekannt. Stattdessen wurde ein niedrigschwelliger Einstieg über eine kleine Zeichenaufgabe gewählt. Schülerinnen und Schüler sollten das Geschlecht von Mann und Frau spontan zeichnen. Wie von der an- leitenden Studentin vermutet worden war,
konnte gerade das weibliche Geschlecht nur sehr schemenhaft dar- gestellt werden. Dass dies auf der heutigen kulturellen Verfasstheit basiert, die Nacktheit von Frauen einerseits objekthaft herauszu- stellen und ihr Geschlecht zugleich mit schamhafter Unsichtbarkeit zu belegen, wurde im anschließenden Gespräch erarbeitet. Unter- stützend wurde hierbei ein Comicauszug aus Liv Strömquists „Der Ursprung der Welt“ herangezogen (Abb. 3). Kurzweilig, witzig bis ironisch wird darin auf diese Tatsache Bezug genommen und ein kleiner Exkurs zu den Geschlechtervorstellungen des 19. Jahrhun- derts wurde geboten. Besonders passend war das von der Studentin gewählt Comicmaterial auch, da zwei Exponate des Museums da- rin gezeigt und thematisch eingebunden waren: Repliken der Frau von Laussel (im Original aus Kalkstein, etwa 25.000 Jahre alt) und der Frau vom Hohlefels (im Original aus Mammut-Elfenbein, etwa 35.000 bis 40.000 Jahre alt). Mit beiden prähistorischen Artefakten konnten sich die Lernenden in jeweils einer Arbeitsgruppe eigen- ständig beschäftigen. Nach einer deskriptiven Analyse wurden ers- te Interpretationsansätze gewagt, wobei auf den nur spekulativen Charakter, aufgrund der mangelnden Faktenlage, hingewiesen wur- de. Neben dem, allgemein oft den altsteinzeitlichen Idolen zugeord- neten Aspekt der Fruchtbarkeit wurde den beiden prähistorischen Frauendarstellungen vorrangig das Göttliche zugeordnet. Im Folgen- den standen demnach Fragen wie „Warum ist vielen heute die The- matisierung der weiblichen Geschlechtsorgane peinlich?“ „Warum war es in der Altsteinzeit ein heiliges Thema?“ oder „Zu was führt die Unsichtbarkeit der Vulva?“ im Fokus. Nach dem kritischen Um- gang mit historischen Vorstellungen und gesellschaftlichen Werten erhielt das erworbene Wissen Ausdruck in einer eigenen Ton"gur. Diese zu formen und dann kurz zu erklären, wieso die Figur entspre- chend gestaltet ist und worauf die Gestaltung Bezug nimmt, runde- te den zweiten Workshop ab (Abb. 4).
Zeitschriftencover
Parallel hierzu fand morgens in der Sonderausstellung „Glamour, Avantgarde und Latzhose“ die Auseinandersetzung mit Printmedien am Beispiel der Frauenzeitschrift statt. Der Leistungskurs hatte als vorbereitende Aufgabe eine gängige Frauenzeitschrift kritisch ana- lysiert, visuell wie inhaltlich. Auch in der Ausstellungsebene war eine Wand feministisch geprägten Zeitschriften gewidmet, die besonders im Eigenverlag erschienen waren. Darunter fanden sich auch Zei- tungscover der 1970er Jahre, die buchstäblich Schlagzeilen gemacht hatten. Exemplarisch ist der „Stern“ vom 06. Juni 1971 zu nennen, der titelte: „Wir haben abgetrieben!“ Ö#entlich gemacht wurde dabei eine Aktion, bei der 374 prominente und nicht prominente Frauen sich zu ihrem Schwangerschaftsabbruch und dem damit einhergehenden damaligen Rechtsverstoß bekannten. Die in der Aus- stellung vorhandenen Zeitschriftencover wurden mit der eingangs von den Lernenden vorgestellten Analysen von gängigen aktuellen Frauenzeitschriften kontrastiert. Als zusätzlicher Input zum Thema wurde ein kritisches Interview mit einem Redakteur aus den 1970er Jahren zum Thema Frauenzeitschriften gehört, welches ein erschre- ckend eindimensionales und fremdbestimmtes Bild der Frau zeich- nete. Im Spannungsfeld damaliger feministischer Zeitschriften und heutiger Frauenzeitschriften konnten die Schülerinnen und Schüler im Anschluss selbst ein Zeitschriftencover erarbeiten (Abb. 5). Es soll- te verdeutlichen, welche Themen ihnen wichtig sind. Als Grundlage konnte ein Sel"e, welches vorab in Farbe im Format A4 ausgedruckt worden war, dienen. Schrift und Bild konnten genutzt werden, um dem eigenen Frauenbild oder noch unerfüllten Forderungen Aus- druck zu verleihen (Abb. 6).
Plakate
Der vierte Workshop beschäftigte sich mit dem Thema Protest, wel- ches in der Sonderausstellung „Glamour, Avantgarde und Latzhose“ vielfältig sichtbar wurde. Kleidung, Musik, Zeitschriften, besonders aber das Plakat waren in den späten 1970er Jahren Ausdruck von Lebensgefühl und Lebenshaltung geworden, die oft bewusst Kritik an der bestehenden Ordnung übte. So wollte auch die Frauenbe- wegung eine umfassende gesellschaftspolitische Transformation. Mit dem Blick der Nachgeborenen näherten sich die Teilnehmenden den Forderungen der zweiten Frauenbewegung (Abb. 7). Anhand des Videos „Ain't Your Mama“ von Jennifer Lopez, welches sie mit Hilfe der Videoanalyse zusammen erschlossen, überprüften sie, inwiefern sich die Forderungen erfüllt hatten. Besonders geeignet erschien dieses Musikvideo, da es durch den Text au#ordert, tradierte Frauen- bilder hinter sich zu lassen, die Sängerin visuell jedoch als Pin-up-Girl inszeniert. Auf per"de Weise treten Bild und Text dementsprechend in Dissonanz und führen den scheinbar emanzipatorischen An- spruch ad absurdum. Dies aufzudröseln, machte den Schülerinnen und Schülern Freude und motivierte sie für die anschließende Pra- xisphase. Auf Plakaten konnten sie selbst Bild und Text nun in Über- einstimmung bringen und einen Bereich benennen, in welchem sie Emanzipation noch immer für wesentlich hielten. Die entstandenen Plakate wurden anschließend im Treppenaufgang zur Ausstellungs- etage für die Dauer der Ausstellung aufgehängt.
Resümee
Auf den Workshop-Tag mit den Studierenden zurückblickend, stell- ten die Schülerinnen und Schüler beider Kurse ihre Arbeiten vor und tauschten sich über ihre Eindrücke aus. Auch die Studierenden er- hielten die Möglichkeit, Feedback zu geben oder sich über ihre Erfah- rungen zu äußern. Die durchweg positive Resonanz und die gelöste Atmosphäre waren ein erster Indikator einer gelungenen Koopera- tion (Abb. 8). Wie ist das dargestellte Projekt nun aber mit etwas Abstand zu betrachten, welche Mehrwerte sind für alle Beteiligten daraus entstanden?
Die Besonderheit der Veranstaltung lag in der Zweigleisigkeit von Schule und Museum. Schülerinnen und Schüler, aber auch Studie- rende bewegten sich in beiden Institutionen und erkundeten im Projekt Möglichkeiten kooperativen Lernens. Während die Oberstu- fenschülerinnen und -schüler schon während ihres ersten Leistungs- kursjahres vermehrt Museumsluft schnuppern konnten, hatte sich ihr Aktionsradius in der 13. Klasse nun hin zum Austausch mit Stu- dierenden erweitert. Dies scheint für Schülerinnen und Schüler, die kurz vor dem Abitur oftmals deutliche Fortschritte hinsichtlich der Durchdringung von Fachinhalten, aber auch in Bezug auf persönli- che Reife machen, naheliegend. Mit Blick auf die baldige beru$iche Orientierung zeigt das Leistungsfach häu"g die Neigung für ein be- stimmtes Berufsfeld an. Studierende nach ihren Studieninhalten be- fragen zu können, sie „bei der Arbeit“ erleben und auch sich selbst befragen zu können, ob das Feld der Kunstpädagogik ein mögliches eigenes Arbeitsfeld sei, war für einige Schülerinnen und Schüler hilfreich. Dass die Studierenden nur wenige Jahre älter waren und noch stärker als Lernende erlebt wurden als eigene Lehrkräfte, unter- stützte ein schnelles Einlassen aufeinander. Spannend war es aber auch zu sehen, was der Unterricht des Faches Kunst in der Schule und Universität, was aber auch Lebenswirklichkeit den angehenden Kunstpädagoginnen und Kunstpädagogen mitgegeben hatte. Wozu waren sie befähigt, welche Kompetenzen fehlten ihnen? Angehende Kunstlehrerinnen und -lehrer schon während ihres Studiums darin zu bestärken, engagiert zu lehren und auch außerschulisch zu agie- ren, das war ein Ziel des Projekts. In Erfüllung ging vorerst das Einlas- sen auf viele kritische Themen für das Projekt „Kunst mit KLASSE!“, die lebensnah und mit aktuellem Bezug vermittelt wurden. Auch der selbstkritische Blick auf das eigene Projekt im Nachgang stellte die Weichen für einige Modi"zierungen für das Folgejahr. Nicht zuletzt erhielt das Projekt „Kunst mit KLASSE!“ durch die Teilnahme der Stu- dierenden auch ein breiteres Interesse in den Aktionsräumen Schu- le, Museum und Universität. Damit waren die sich verzahnenden Projekte für alle Beteiligten mit höherem Zeiteinsatz, aber auch mit wertvollen Erfahrungen und Erkenntnissen verbunden.
Fotos: Kim Engels
Literatur
Engels, Kim/Fuchs, Gotthard: Sag an, wer ist doch diese... Göttinnen!guren und Marienbilder. Wiesbaden 2008.
Gimbutas, Mar"a: Die Sprache der Göttin. Frankfurt a. M. 1998. Heinrich-Böll-Stiftung/Feministisches Institut (Hg.): Wie weit #og die Tomate? Berlin 1999. Notz, Gisela: Warum #og die Tomate? Die autonomen Frauenbewegungen der Siebzigerjahre.
Neu-Ulm 2018.
Julia Jennifer Matlok ist Kunstpädagogin M. A., OStR an einem Oberstufengymnasium und Lehrbeauftragte an der Goethe- Universität Frankfurt am Main. E-Mail: julia.matlok@web.de
Abb. 7 Schülerinnen und Schüler erforschen in der Ausstellung „Glamour, Avantgarde und Latz- hose“ deren emanzipatorischen Anspruch.
Abb. 8 Am Ende des ersten Workshop-Tages tauschen sich alle Beteiligten im Plenum aus.
Andreas Helm: Aufessen, Mamorskulptur, 2018 Foto: Joachim Mennicken |
Einführung: Der Bildhauer Andreas Helm und seine Werke
18. September 2021 – Fest Ruth Emmer, Frankfurt am Main
Sonja Wengoborski (Mainz)
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde der Kunst,
unsere Gastgeberin Ruth Emmer hat mich eingeladen, in die Werke von Andreas Helm einzuführen, von dem in diesem eindrucksvollen Haus mit seinem schönen Garten im Laufe vieler Jahre viele Werke Platz gefunden haben. – Mit Andreas Helm war ich seit Anfang der 1990-er Jahre befreundet, und zweimal, Mitte der 1990-Jahre und dann im Jahr 2006, hat er mich gebeten, die Eröffnungsrede für zwei seiner Ausstellungen zu halten. Herzlich bedanken möchte ich mich bei unserer Gastgeberin Ruth Emmer, bei Andreas Köhler, einem Freund von Andreas Helm, und beson- ders bei den gemeinsamen Freigehege-Freund*innen Joachim Mennicken, Angela Ehrlich und Jürgen Paulussen, mit denen ich in Vorbereitung zum heutigen Tag über Andreas Helm und sein Werk sprechen konnte.
Da er im Juni 2020, sozusagen „unter Corona-Bedingungen“, unerwartet verstorben ist, fehlen mir zu vielen der Werke, die hier zu sehen sind, die sonst üblicherweise zu nennenden Daten, die ich ja nun leider nicht mehr von ihm erfragen konnte. Deshalb möchte ich auch nicht die vielen Werke von Andreas Helm, die hier zu sehen sind, einzeln besprechen, sondern eine darauf Bezug nehmende Einführung geben.
Doch zunächst einige biographischen Daten: Andreas Helm wurde am 1. Mai 1960 in Frankfurt geboren und wuchs in Neu-Isenburg auf, wo er auch die meiste Zeit seines Lebens wohnte. Er studierte an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt die Fächer Kunstpädagogik, Kulturanthropo- logie und Germanistik und erwarb mit einer Arbeit über „Schrottplastiken in der Bundesrepublik Deutschland nach dem 2. Weltkrieg am Beispiel von Will Greverus und anderen“ (1988) den Grad eines Magister Artium. Schon
in dieser Zeit lag sein Schwerpunkt auf Bildhauerei und Plastik. Seit 1993 wandte er sich intensiv der Steinbildhauerei zu und seit dieser Zeit hat er seine Arbeiten regelmäßig in zahlreichen Ausstellungen präsentiert.
Wichtige Impulse für sein Schaffen kamen von Prof. Wolf Spemann in Frankfurt, dessen Klasse für Bildhauerei und Plastik er besuchte. Seit 1989 besuchte er die jährlichen Symposien in Weißenseifen, einer kleinen Künst- ler*innenkolonie in der Vulkaneifel. Dort wurde der Bildhauer Albrecht Klauer-Simonis zu einem Mentor. Ein bedeutender Bezugspunkt seines Wirkens ist der 1989 in Frankfurt am Main gegründete gemeinnützige Kunstverein Freigehege. Wichtig waren auch zahlreiche befreundete Künstler*innen, eine davon die im Frühjahr dieses Jahres (2021) ver- storbene Barbara Caspari, mit der gemeinsam er viele Jahre lang im Rahmen des Kultursommer Südhessen offenes Atelier in seinem Garten in Dreieich Sprendlingen oder einige Male auch in seinem oder ihrem Atelier in Offenbach hielt.
Einen Aspekt seines Wirkens, der nicht in der Bildhauerei liegt, ihn aber sicher mitgeprägt haben, möchte ich hier nicht unerwähnt lassen: Andreas Helm trainierte seit den 1980 Kampfsportarten, erst Wing Tsun, dann Stockkampf. Später entdeckte er das artistische Feuerspiel für sich, dass er dann auch bei Freiluft-Ausstellungen – etwa beim Museumsuferfest am Frankfurter Mainufer – vorführte und von dem er im Internet einige Spuren in Gestalt von Fotos und Video-Aufnahmen hinterlassen hat.
Das Spektrum an Techniken, Materialien und Formen erweiterte Andreas Helm kontinuierlich: er arbeitete in Sandstein, Kalkstein, Marmor, Speck- stein, Gipsblöcken oder Holz, modellierte mit Ton, goss in Gips und Beton, schweißte Metall. So erschloss er sich immer wieder neue Techniken und Materialien, war immer offen für Neues und blieb sich in seinen Werken doch selbst treu. Während er sich einerseits selbst fortbildete, war er seinerseits auch als Kunstpädagoge tätig, vorwiegend in seinem Garten in Dreieich-Sprendlingen, aber auch in seinem Atelier, das er einige Jahre in Offenbach hatte, 2006/2007 als Schulkünstler an der Heinrich-Kraft Schule in Frankfurt-Fechenheim oder in Workshops, zuletzt an der Salus-Klinik in Friedberg.
Das Thema einer Ausstellung (2006) lautete: „Von der Form zur Figur und zurück“ – ein passender Titel auch für die Werke, die heute hier zu sehen sind: Es geht dabei um den Gegensatz von figürlicher Darstellung einerseits und konkreten Formen andererseits. Konkrete Kunst leitet sich nicht von sinnlicher Wahrnehmung her, sondern entsteht als Konzeption der Künst- lerin/ des Künstlers allein nach den Gegebenheiten von Material und Technik aus Elementen reiner Form. Der Pendelschlag zwischen diesen beiden Ausdrucksweisen, also „Figur“ und „Form“, wurde von Andreas Helm nicht im Sinne eines „Entweder – Oder" umgesetzt. In vielen seiner Figuren liegt ein Spiel mit der Form: Während die fertig gestellten konkreten, freien Formen oftmals mehr oder weniger ausgeprägt eine figürliche Deutung erlauben, hat er das Figürliche oft an den Rand geometrischer Darstellung gerückt. Das Spiel mit den Dimensionen dieser Ausdrucks- weisen, eine Gratwanderung entlang der Formgestaltung und ihrer Deu- tung, seine Freude daran, das Material bis an seine Grenzen auszureizen, ist in vielen seiner Werke deutlich zu erkennen.
Wichtige Aspekte seines Arbeitens sind eine deutliche Vorliebe für die Materialien Sandstein und Marmor, seine vorwiegend „manuelle“ Art der Steinbildhauerei, mit der er sich gleichsam in eine Jahrtausende alten Tradition von Bildhauerei eingliedert, und die intensive Auseinander-setzung mit dem Material. Ich kenne keine „halben Sachen“ von ihm: Was immer er anpackte, machte er mit vollem Einsatz.
Während er einerseits durchaus den Dialog mit anderen suchte, sich in Gemeinschaftsausstellungen und -aktionen einbrachte, ein verlässlicher Partner bei gemeinschaftlichen Unternehmungen war, sehr darauf bedacht, nicht mehr zu versprechen, als er würde halten können, hatte er zuweilen, vielleicht auch gerade aus diesem Grund, auch eine sehr schroffe und abweisende Seite, was sich – wie ich finde – durchaus auch in seinen Werken widerspiegelt.
„Von der Form zur Figur und zurück“ benennt auch den Entwicklungsweg des Künstlers, der geprägt ist von der Auseinandersetzung mit diesen beiden Polen künstlerischen Ausdrucks. Entwicklung bedeutete für ihn, sich in ein Gebiet einzuarbeiten, darin seine Kreise zu ziehen, das Neue in das bislang Erarbeitete zu integrieren, das Bisherige mit dem Neuen zu verknüpfen. Die Rückkehr zu einer Ausdrucksweise bedeutete daher nicht, wieder am selben Anfangspunkt zu stehen, sondern im Sinne einer spiral- förmigen Bewegung auf eine andere Ebene zu gelangen, die im kreativen Prozess wiederum nicht Endpunkt sondern Zwischenstation auf einer Reise war, die im Juni 2020 mit gerade 60 Lebensjahren ein jähes und viel zu frühes Ende gefunden hat.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen