Prof. Albert Kiefer
Bild der Familie Kiefer (von links nach rechts: Mutter Cilly Kiefer, Sohn Anselm Kiefer und Vater Albert Kiefer) |
Ende 2010 erhielt die Alumni-Initiative einen Brief von Prof. Albert Kiefer mit seiner Anmeldung und einem Foto, das ihn zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn Anselm Kiefer zeigt.
Albert Kiefer, geb. 1918, lehrte seit 1964 zunächst als Studienrat im Hochschuldienst, ab 1972 dann als Professor am Institut für Kunstpädagogik vor allem die Grundlagen des Gestaltens sowie die Entwicklung fachdidaktischer Konzepte seit 1945 bis zur Gegenwart. Auch nach seiner Pensionierung 1983 bot er bis 1997 regelmäßig und mit großem Erfolg bei den Studierenden Oberseminare an „Zur Ästhetischen Erziehung in Theorie und Praxis seit 1945“ – eine Zeit, die er zunächst als Dorfschullehrer, reformpädagogisch engagierter Kunst- und Werkerzieher sowie als Rektor einer neu gegründeten Modellschule in Baden und dann in der Lehrerbildung in Hessen selbst mitgeprägt hatte. Einige Alumni können sich sicher noch gut an diese Seminare in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts erinnern.
Eine besondere Herausforderung für seine das ganze Berufsleben andauernde intensive Auseinandersetzung mit den biografisch bestimmten Gestaltungen von Kindern und Jugendlichen bis zur Adoleszenz bildete sein 1945 kurz vor Kriegsende geborener Sohn Anselm Kiefer, der sich seinerseits in seinem seit 30 Jahren international anerkannten künstlerischen Werk vielfach mit der Kriegsbiografie Deutschlands und der Deutschen auseinandersetzte. Bekleidet mit der Reithose, den Reitstiefeln und dem Militärmantel des Vaters, in der Uniform, in der Albert Kiefer seit Kriegsbeginn bis zum Kriegsende als Offizier an der Front den Weltkrieg erlebt und 1945 mit 27 Jahren verwundet überlebt hatte, hat sein Sohn Anselm ab 1969 an geschichtsträchtigen Orten performative „Besetzungen“ mit zum Hitlergruß erhobenem Arm durchgeführt. Anselm: „Ich muss ein Stück mitgehen, um den Wahnsinn zu verstehen.“(Kiefer 2003, S.21).
Aufgezeichnet und veröffentlich hat Albert Kiefer seine bewegende Autobiografie und seine bewundernswürdig offenen und selbstkritischen Reflexionen unter dem beziehungsreichen Titel:
„In Kriegs- und Friedenszeiten. Ästhetische Erziehung als Lebensaufgabe. Mit der erstmaligen Veröffentlichung der bildnerischen Entwicklung in Kindheit und Jugend des Sohnes Anselm Kiefer“ (Dr. Kovac Hamburg 2003).
Ausstellung Kiefers anläßlich seines 90. Geburtstages (2008) |
Übrigens ist Albert Kiefer auch weiterhin künstlerisch aktiv. Zu seinem 90. Geburtstag erhielten wir eine Einladung zur Ausstellung seiner Bilder und zu Weihnachten schickte er mir einen Gruß mit einer originalen kleinen Ölskizze zu.
Prof. Dr. Adelheid Sievert
Kinder- und Jugendzeichnungen Anselm Kiefers
Kiefer, Albert: In Kriegs- und Friedenszeiten. Ästhetische Erziehung als Lebensaufgabe. Mit der erstmaligen Veröffentlichung der bildnerischen Entwicklung in Kindheit und Jugend des Sohnes Anselm Kiefer. Verlag Dr. Kovac. Hamburg 2003, 288 Seiten, durchgängig farbige Abbildungen; Euro 48,00; ISBN: 3-8300-0900-3
Autobiografien von Kunstpädagogen sind nicht nur für die Erforschung der Fachgeschichte eine wertvolle Quelle, sondern sie bieten dem Leser auch Möglichkeiten, über das (professionelle) Selbstverständnis im eigenen Lebenslauf zu reflektieren. Beide Aspekte bietet das Buch des heute 88-jährigen Kunstpädagogen Albert Kiefer. Darüber hinaus enthält es Kinder- und Jugendzeichnungen seines Sohnes Anselm Kiefer, eines der bekanntesten deutschen Gegenwartskünstler. Diese sind sowohl für die aktuelle Kunstgeschichte, wie für die Kinderzeichnungsforschung von großem Interesse.
Das Buch stellt den nur aus der damaligen Zeit der Umbrüche nachvollziehbaren beruflichen Werdegang vom jungen Soldaten im Zweiten Weltkrieg über den Schulhelfer der Nachkriegsjahre bis zum Professor für Kunstpädagogik an der Universität Frankfurt am Main dar. Besonders eindringlich werden die Jahre der Studentenbewegung Anfang der 1970er Jahre geschildert. Der damalige Hochschullehrer – sich selbst als Vertreter einer unideologischen Musischen Bildung kategorisierend – versuchte sich den Argumenten zu stellen. Kiefer lehnte sowohl die fachdidaktischen Strömungen des formalen Kunstunterrichts (Otto, Pfennig) wie auch die Visuelle Kommunikation („Instrument schulischer Umsturzpädagogik“) überzeugt ab. Interessant sind im Buch reproduzierte Zeichnungen von Studierenden aus dieser Zeit, die unter Drogen- und LSD-Einfluss entstanden.
Anhand der Zeichnungen seines Sohnes Anselm Kiefer hielt der Autor über zwei Jahrzehnte universitäre Lehrveranstaltungen, an denen auch der Rezensent in seinen Studienjahren teilnahm. Eindringlich sind insbesondere die Konflikte in der Kindheit des Sohnes Anselms, die dieser in seinen Zeichnungen verarbeitete und die den sensiblen, bis dahin autoritär erziehenden Vater zum Umdenken seines Erziehungskonzepts veranlassten. Desweiteren wird die adoleszente Krisenphase des 16-17-jährigen Anselm mit in bester Qualität reproduzierten Abbildungen gut dokumentiert. In den Darstellungen des Vaters liegt demnach einiger Sprengstoff für die Rezeption des künstlerischen Gesamtwerkes von Anselm Kiefer: Inwieweit beeinflusst die kompensatorische Funktion von bildnerischer Tätigkeit auch die Hochkunst? – In vielerlei Hinsicht ein lesenswertes Buch!
Georg Peez
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